🏙️ Floridsdorf zwischen den Weltkriegen (1918–1938)
Ein Bezirk im Wandel zwischen Hoffnung, Krise und politischem Aufbruch
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 durchlebte Floridsdorf wie ganz Wien eine Zeit großer Umbrüche. Die Jahre zwischen den Weltkriegen waren geprägt von wirtschaftlichen Herausforderungen, politischen Spannungen – aber auch von sozialem Fortschritt und einer wachsenden Identität als Teil des „Roten Wien“.
🕊️ Ende des Kaiserreichs und Beginn der Republik
Mit dem Zerfall der Habsburgermonarchie und der Ausrufung der Ersten Republik Österreich 1918 wurde Floridsdorf endgültig Teil eines neuen politischen Systems. Der junge Bezirk, erst 1904 eingemeindet, war durch seine industrielle Prägung und die Arbeiterschaft stark sozialdemokratisch orientiert.
Zugleich hatte die Bevölkerung mit den direkten Folgen des Kriegs zu kämpfen: Lebensmittelknappheit, Wohnungsnot, Inflation und Arbeitslosigkeit prägten den Alltag.
🏘️ „Rotes Wien“ – Wohnbau und soziale Reformen
In den 1920er Jahren war Floridsdorf ein aktiver Teil des „Roten Wien“, jener Zeit, in der die Stadtverwaltung unter der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) umfassende Reformen umsetzte.
Wichtige Errungenschaften:
- Wohnbauoffensive: In Floridsdorf entstanden neue Gemeindebauten, darunter der Schlingerhof (errichtet ab 1924), der bis heute ein Wahrzeichen des Bezirks ist.
- Soziale Infrastruktur: Schulen, Kindergärten, Badeanstalten und Volksküchen wurden errichtet oder ausgebaut, um die Lebensqualität der Arbeiterschaft zu verbessern.
- Kulturelles Leben: Volkshäuser und Arbeiterbildungsvereine waren Zentren des politischen und kulturellen Austauschs.
⚙️ Wirtschaft und Industrie
Floridsdorf blieb auch zwischen den Kriegen ein bedeutender Industriestandort:
- Die Lokomotivfabrik Floridsdorf war weiterhin einer der größten Arbeitgeber.
- Kleinere Betriebe der Metallverarbeitung, Maschinenbau und Lebensmittelindustrie prägten das Wirtschaftsbild.
- Der Floridsdorfer Markt (heute Schlingermarkt) war ein wichtiger Ort der Nahversorgung – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozialer Treffpunkt.
Allerdings traf die Weltwirtschaftskrise ab 1929 den Bezirk hart: Arbeitslosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit nahmen stark zu.
⚠️ Politische Spannungen und Austrofaschismus
Die politische Lage in Österreich spitzte sich ab Anfang der 1930er Jahre zu. Floridsdorf war eine Hochburg der Sozialdemokratie, was den Bezirk in den Fokus der politischen Auseinandersetzungen rückte.
- 1934 kam es nach dem Verbot der SDAP durch das Dollfuß-Regime zum Februaraufstand. In Floridsdorf leisteten Schutzbündler Widerstand, unter anderem im Bereich der Brünner Straße.
- Die Kämpfe wurden rasch niedergeschlagen, zahlreiche Aktivisten wurden verhaftet oder exekutiert.
- In den Folgejahren etablierte sich das autoritäre Ständestaat-Regime, unter dem auch Floridsdorf massiv unter Repressionen und politischer Gleichschaltung litt.
🛤️ Floridsdorf vor dem „Anschluss“
Gegen Ende der 1930er Jahre war Floridsdorf geprägt von wachsender Unsicherheit. Der Nationalsozialismus gewann an Einfluss, insbesondere nach dem Einmarsch deutscher Truppen im März 1938. Der „Anschluss“ markierte das Ende der österreichischen Eigenständigkeit und den Beginn einer neuen, dunklen Epoche.